Lucifer
Wie war es eigentlich für Lucifer, Eva kennen zu lernen?
Wie hat er es erlebt und was hat es in ihm ausgelöst?
Tauche ein in die Bonusgeschichte aus Lucifers Sicht und erlebe seine wahren Gedanken und Gefühle.
Ort des Geschehens ist das Immobilienbüro, anläßlich der Eröffnungsfeier.
Viel Spaß beim Lesen!
Lucifer – erste Begegnung mit Eva auf Eröffnung Immobilienbüro
Umgeben von seiner Familie stand Lucifer auf der Bühne und begrüßte die Gäste zur Eröffnung des Immobilienbüros. Er wusste um seine Wirkung, erkannte an den ihm zugewandten Gesichtern die Bewunderung, die sein Auftreten stets auslöste, vor allem bei den Frauen. Allein sein Aussehen löste meist schlagartig ein Lechzen aus, doch seine dunkle Stimme, die kontrollierte Art und Weise und insbesondere sein Charme, den er durchaus versprühen konnte, zogen die Anwesendem zudem in seinen Bann. Wie so oft fehlte ihm auch heute die Lust auf große Reden. Das konnte Max gerne übernehmen, da ihm die Leitung dieser Niederlassung oblag. Sein Blick schweifte zu seinem Geschäftsführer, der direkt vor der Bühne auf seinen Einsatz wartete.
Wer war die Frau an Max` Seite, mit der er tuschelte?
Als hätte sie sein Starren bemerkt, hob sie den Kopf und ihre Blicke begegneten sich. Das musste Eva sein! Unglaublich … Für den Bruchteil einer Sekunde stockte ihm der Atem. Sofort kamen ihm Max‘ Schwärmereien in den Sinn, die er in diesem Moment mehr als verstand. Wie gebannt betrachtete er sie. Ihre smaragdgrünen Augen waren so ausdrucksstark, dass er sie von hieraus nicht nur deutlich erkennen konnte, sondern augenblicklich darin versinken wollte. Ihre ganze Erscheinung löste reine Faszination in ihm aus. Sie leuchtete von innen heraus, erhellte ihre Umgebung wie ein Stern die Dunkelheit.
Sie wich seinem Blick aus, trennte die kurze Verbindung zwischen ihnen.
Endlich hatte Lucifer das Gefühl, wieder atmen zu können, obwohl sein Herz raste. Innerlich aus dem Konzept, doch nach außen stets der Profi, bat er Max auf die Bühne und verfolgte seine Begrüßung. Dabei huschte sein Blick erneut zu diesem bezaubernden Wesen. Das bunt gemusterte Sommerkleid in knalligen Farben betonte ihre weiblichen Formen und verstärkte ihr Strahlen. Wieso hatte er sich nicht früher die Mühe gemacht, Max` Angebetete unter die Lupe zu nehmen? Stattdessen hatte er diese Aufgabe Don überlassen. Der Dämon hatte sie überwacht und ihm und Max lediglich Infos zu ihren Tätigkeiten übermittelt. Doch Lucifer hatte Max` Sehnsucht nach ihr nicht weiter hinterfragt. Junge Männer waren oft vernarrt in irgendwelche Frauen. Häufig war deren Schwärmerei für ihn nicht nachvollziehbar und erledigte sich irgendwann von selbst. Aber dieses schöne Geschöpf vor der Bühne, sie umgab etwas Besonderes. Sie erinnerte ihn auf unerklärliche Weise an seine Heimat, das Himmelreich, aus der er vor langer Zeit verbannt worden war.
Endlich verließen sie die Bühne. Hinter aufgesetzter Gelassenheit verbarg er seine brennende Neugierde, als Max ihm diese faszinierende Frau vorstellte. Das fiel ihm nicht sonderlich schwer, denn undurchschaubar zu sein war sein Geschäft. »Herzlich willkommen, es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Frau …?«, begrüßte er sie und taxierte sie, während er ihre Hand schüttelte. Die Energie, die ihn dabei durchfuhr, verblüffte ihn. Pulsierend wie ein starker Strom, wie das Leben selbst. Wer oder was war sie? Er konnte eine gewisse Unsicherheit bei ihr ausmachen. So ging es den meisten, die er taxierte und dabei berührte. Er vermittelte etwas Unheimliches, während sie seine Attraktivität blendete. Wie bei einem Raubtier …
»Eva Pichler von der Buchhandlung Pichler hier in Schruns«, antwortete sie
mit erhobenem Kinn und lächelte.
Was für ein Lächeln! Es erhellte ihre schönen Züge noch mehr, ließ sie regelrecht leuchten.
Max stellte Lilia und die Kinder vor, während Lucifer sich bemühte, sie nicht durchweg anzustarren. Lilia riss ihn aus seiner Trance, als sie an seinem Arm zupfte. »Lass uns nach den anderen Gästen sehen.«
»Natürlich.« Er legte ihr den Arm um die Taille und wandte sich ein letztes Mal zu der jungen Frau um.
»Vielleicht bis später. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in
unseren Räumlichkeiten«, verabschiedete er sich förmlich und zeigte ein schmales Lächeln. In völliger Gelassenheit schritt er weiter, begrüßte Gäste, lächelte hier, plauderte da. Doch immer wieder huschte sein Blick durch die Menge, suchend nach ihr.
Schließlich stahl er sich einen Moment in sein Büro davon und verschloss die Tür hinter sich. Schon war es vorbei mit seiner Beherrschtheit. Eilig zog er sein Handy aus dem Jackett und wählte Don an. »Sende mir alle Daten über Eva Pichler. Alles, was du in drei Jahren gesammelt hast.« Auf Dons Murren befahl er »noch heute«, dann beendete er das Telefonat. Er war so gespannt auf die Informationen über diese Frau, zumal er Max‘ Besessenheit um sie in der Vergangenheit keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Was für ein Fehler!
Er zwang sich, wieder zu den Gästen zurückzukehren, ohne jedoch auch nur halbwegs Interesse an dem oberflächlichen Geplauder zu haben.
»Luzian, hallo«, sprach ihn ein Mann von der Seite an. Mit innerem Seufzen und höflichem Lächeln wandte er sich ihm zu.
»Ach, Benno, ich hätte dich fast nicht erkannt. Was ist passiert?«
Benno war einer der Geschäftsführer von Lucifers Spielcasinos in Wien, Madrid und Amsterdam. Auch er wusste natürlich von Luzians wahrer Identität, doch es war allen Eingeweihten unter Androhung drakonischer Strafen untersagt, ihn bei offiziellen Anlässen mit seinem eigentlichen Namen anzusprechen.
Benno rieb sich seinen Bierbauch. »Das kommt leider nicht vom genussvollen Leben.« Er verkniff das Gesicht. »Darauf musste ich die letzten Monate verzichten. Ich war krank und wurde mit Medikamenten vollgepumpt. Nun ja, daher kämpfe ich nun mit fünfundzwanzig Kilo Übergewicht.«
»Das wusste ich nicht. Tut mir leid.« Lucifer fiel auf, wie aufgedunsen sein Gesicht aussah.
Er zuckte die Achseln. »Ich wollte dem Thema nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Tja, und jetzt fange ich wieder an zu leben, und finde hoffentlich bald zu meiner alten Form zurück. Vor allem hat mir das tägliche Krafttraining gefehlt. Na ja, das wird schon wieder.« Er winkte ab und nippte an seinem Wasserglas.
»Erstaunlich, dass du heute hier bist. Hattest du in der Nähe zu tun?«, wunderte sich Lucifer über seine Anwesenheit.
Benno nickte. »Tatsächlich war ich gestern noch in Innsbruck unterwegs und habe gerne den kleinen Umweg genommen. Schicker Schuppen«, sagte er und schwenkte sein Glas durch die Luft.
»Danke.« Lucifer kniff die Augen zusammen. Sicherlich war dies nicht der wahre Grund für seinen Besuch. »Was kann ich für dich tun, mein Freund?« Er hasste es, um den heißen Brei zu reden, wollte lieber gleich auf den Punkt kommen.
»Ich würde gerne das Spielcasino in Innsbruck übernehmen. Genauer gesagt würde ich dort meinen Neffen einsetzen, der momentan für mich arbeitet und für den es an der Zeit ist, sein eigenes Ding zu machen. Du musst wissen, dass er richtig gut ist. Wärst du interessiert?«
Sorge huschte über Bennos Züge. Lucifer wusste, dass dessen Neffe nicht nur sehr gut war, sondern seit längerem am Thron seines Onkels sägte. Er nickte langsam. »Ich brauche Fakten, um dies beurteilen zu können, aber generell bin ich für Expansionen, das weißt du.«
»Ja, deshalb bin ich hier.« Er griff in sein Jackett und zog einen Datenstick heraus. »Hier ist alles drauf. Schau es dir in Ruhe an.«
Lucifer grinste. »Du bist gut vorbereitet, so gefällt mir das.« Er ließ den Stick in die Innentasche seines Sakkos gleiten und winkte einer jungen Frau zu, die wenige Schritte entfernt mit einem Gast redete. Diese entschuldigte sich sofort bei ihrem Gesprächspartner, eilte auf ihn zu und begrüßte ihn und Benno höflich. »Jolina, würdest du dich bitte um unseren Gast hier kümmern, ihm all seine Wünsche von den Augen ablesen.«
Die junge Frau nickte, während Lucifer auffiel, wie Bennos Brauen nach oben schossen. Jolina war eines der pralleren Mädchen und er wusste, dass sein Geschäftspartner darauf stand. Er unterdrückte ein Grinsen, als Benno sie von Kopf bis Fuß musterte und ihr zulächelte. Sie beugte sich zu Benno vor und flüsterte ihm etwas zu. Dann lachte sie und warf ihre roten langen Haare über die Schulter.
»Bis später«, verabschiedete sich Lucifer und ging weiter. Dabei schaute er sich suchend um. Wo war Max und vor allem seine Angebetete?
»Da bist du ja.« Seine Lieblingskundin Marina hakte sich bei ihm unter. »Sollen wir uns zurückziehen, um übers Geschäft zu sprechen?« Sie zwinkerte ihm zu.
Lucifer schmunzelte. »Gib mir noch etwas Zeit. Ich muss mich um die anderen Gäste kümmern, dann präsentiere ich dir die große Hotel Suite.«
»Einverstanden. Wo ist eigentlich dein neuer Geschäftsführer. Ich wollte ihm gratulieren, kann ihn aber nirgends finden.«
Lucifer runzelte die Stirn. Wo trieb Max sich rum? »Entschuldige mich«, sagte er und schlängelte sich durch die Menge auf Max‘ Büro zu. Er klopfte kurz und öffnete die Tür. Tatsächlich – in flagranti erwischt. Da standen die beiden, nervös, wie zwei, die man bei etwas Unerlaubtem überrascht hatte. Evas rote Wangen und der verwischte Lippenstift machten die Knutscherei, bei der sie gerade unterbrochen wurden, offensichtlich. Lucifer ignorierte sein inneres Murren und bat Max, sich um die Gäste zu kümmern. Evas Miene drückte Scham und Trotz aus, eine Kombi, die ihm außergewöhnlich gut gefiel. Als ihm beide hinaus folgten, fragte er sich, wieso sie eine Aura, ähnlich der eines Engels umgab. Das Flimmern zog ihn an wie die Motten das Licht.
»Der Umbau ist sehr gelungen, Herr Neumann«, rief sie plötzlich hinter ihm. Abrupt wandte er sich ihr zu, dabei stießen sie um ein Haar zusammen. Vor Schreck schoss ihr Röte über die Wangen, was nicht nur zauberhaft aussah, sondern ihn alle Mühe kostete, ein Grinsen zu unterdrücken. Ihr Duft stieg ihm in die Nase und ließ ihn innerlich taumeln. Jasmin und Orange, was für eine Kombi. Reine Verlockung und Begierde flammten in ihm auf, sein Herz pochte wie nach einem Sprint und das Blut pulsierte durch seine Adern. Wer war sie bloß, dass sie ihm derart unter die Haut ging? Er brauchte unbedingt alle Infos von Don. Lucifer stand so dicht vor ihr, dass sie den Blick heben musste, um ihn anzusehen. Dabei war sie nicht sonderlich klein, doch er überragte sie um einen halben Kopf. Sie bemerkte, wie er ihre Augen taxierte, aber er konnte nicht anders. Es war wie ein Bann. Durch seine kontrollierte Art bekam er es hin, ruhig und gelassen aufzutreten, selbst wenn wie in diesem Augenblick, ein Sturm der Gefühle in ihm tobte. »Ich heiße Luzian. Wir sehen uns ab sofort bestimmt häufiger, da müssen wir nicht so förmlich sein, oder?«
Eva schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Ich bin Eva.«
»Eva … ein bedeutsamer Name …« Luzian bedachte sie mit einem unergründlichen Lächeln.
Ein Kunde erschien an seiner Seite und begrüßte ihn mit einigen Floskeln. Höflich erwiderte er diese, obwohl er weiter in ihrem Duft schwelgen und in ihren Augen versinken wollte. Als er sich endlich wieder zu ihr umwandte, war sie verschwunden. Verdammt!
Voller Missmut bewegte er sich durch die Menge, grüßte höflich die Gäste und verschwand schließlich in sein Büro. Sein Handy zeigte den Eingang einer E-Mail von Don an. Eilig nahm er am Schreibtisch Platz und startete den Laptop. Na, jetzt bin ich gespannt! Er öffnete Dons Nachricht, klickte auf den Anhang. In einer Excel Übersicht waren die wichtigsten Ereignisse von Evas Überwachung in den letzten drei Jahren nach Datum festgehalten. Er überflog die Überschriften, las vereinzelt den Inhalt. Er saugte jede Info über sie auf wie ein Schwamm. Er wollte mehr, wollte alles über sie wissen. Mit einem tiefen Atemzug lehnte er sich im Sessel zurück. Was war bloß in ihn gefahren? Hatte Max` Verhalten etwa auf ihn abgefärbt? Fühlte der sich etwa schon seit Jahren so wie er in diesem Moment? Er schnaubte laut. Keine Frau der Welt brachte ihn aus dem Konzept. Es war immer, wirklich immer andersherum. Entschlossen schloss er den Laptop und verließ sein Büro.
Wo war eigentlich Marina, seine Lieblingskundin? Zeit für eine Ablenkung und sein normales Gebaren …
Er entdeckte sie in der Menge, sie leuchtete mit ihrem stahlblauen Kleid und der blonden Mähne heraus wie ein Glühwürmchen. Nach wenigen Schritten erreichte er sie und entzog sie der Plauderrunde, zu der sie sich gesellt hatte. »Ich will dich. Jetzt«, raunte er ihr heiser ins Ohr und meinte es genauso. Erleichterung durchflutete ihn. Alles war beim Alten. Er war der Alte. Stark und dominant.
Marina folgte ihm in den Aufzug, und sobald sich die Türen schlossen, drängte sie sich an ihn. Als sie kurz darauf die Suite betraten, waren sie beide aufgeheizt und steuerten das Badezimmer an. Lucifer wollte sie in der Dusche nehmen. Dort waren extra Bänke angebracht worden, die allerlei Möglichkeiten für die Gäste boten. Doch in der Tür hielt er abrupt inne. In der Dusche entdeckte er Max mit Eva. Offenbar hatten sie die gleiche Idee verfolgt und waren schon einen Schritt weiter. Lucifer konnte den Blick nicht von Eva abwenden. Sie war wunderschön. In diesem Moment wurde er von den beiden bemerkt. Marina stand hinter ihm und kicherte leise, als sie die Lage begriff.
»Ach! Hier ist also besetzt«, sagte Lucifer und verbarg sein Zähneknirschen. Ein Stich der Eifersucht durchfuhr ihn, sein Blut kochte schlagartig in seinen Adern. Er musste aufpassen, dass er Max keinen Blick voller Flammen zuwarf, der seinen Gefühlssturm offenbarte. Doch er hatte sich unter Kontrolle. Gut so.
Der magischen Eva stand pures Entsetzen in ihr schönes Gesicht geschrieben, wobei er ein Grinsen nicht ganz verbergen konnte. Aber er musste sich konzentrieren, ermahnte sich, sie nicht wie ein Trottel anzustarren.
»Wenn du die Suite brauchst, räumen wir sie sofort«, antwortete Max im Plauderton, die Hände in die Hüften gestemmt. Nachdem, was Max in den letzten drei Jahren alles gesehen, gelernt und getan hatte, war Lucifer klar, dass diese Situation für ihn nichts Besonderes war. Spätestens beim Einarbeiten der Clubmädchen und der Teilnahme an Orgien in Lucifers Haus oder bei Geschäftsfreunden weltweit hatte er in Kürze jegliche Scham verloren und war seitdem mit Enthusiasmus dabei. Selbst wenn er das weder sich, noch sonst jemandem eingestehen würde. Doch Lucifer war nicht blind. Dieses Leben in Saus und Braus mit den schönsten Frauen, die er jederzeit haben konnte, gefiel Max. Lucifer fragte sich, ob Max sich tatsächlich nur noch auf eine Frau würde einlassen können, nach all dem.
»Nein, wir nehmen die andere. Kein Problem«, antwortete Lucifer. Mit einem letzten Blick über die Schulter wandte er sich Marina zu und verschwand mit ihr hinaus.
Als sie wenig später in seinen Armen lag, betrachtete sie ihn voller Skepsis. »Du warst nicht bei der Sache, das bist du sonst immer. Lag es an mir?«
Lucifer schnaubte. »Nein, niemals.« Vor Wut pulsierte das Blut erneut wild durch seine Adern. Von der verzehrenden Hitze stiegen ihm Flammen in die Augen. Eilig schloss er sie, zwang sich zur Ruhe. Tatsächlich war es ihm kaum gelungen, sich auf diese Sexbombe einzulassen. Seine Gedanken wanderten immer wieder zu Eva. Doch das lag nicht nur an der Schönheit, die sie ausstrahlte. Da war viel mehr. Sie berührte etwas tief in ihm, etwas Verborgenes … Abrupt setzte er sich auf, als sich die Wahrheit ihren Weg in sein Bewusstsein bahnte. Eva berührte sein Herz.
»Alles in Ordnung?« Marina betrachtete ihn besorgt.
»Ja, ich stehe bloß unter Stress«, brummte er und zog sich mit fahrigen Bewegungen an. Doch in ihm herrschte das reine Gefühlschaos. Seit Ewigkeiten hatte niemand mehr den Lichtkeim, aus dem sein Herz heute noch bestand, erreicht. Nun pochte dieser Keim, als würde er mutieren und vor allem wachsen wollen. Nervös fuhr er sich durch die Haare, konnte den Aufruhr in seinem Inneren nicht fassen. Am besten sah er dieses himmelsgleiche Wesen nie wieder, denn sie erschütterte ihn zutiefst. Zeitgleich wollte er in ihrer Nähe sein, wollte alles von ihr wissen.
»Lass uns gehen«, brachte er heraus und war froh, dass Marina ihn umgehend begleitete und dabei in Ruhe ließ.
Den restlichen Abend verbrachte Lucifer in seinem Büro. Vor Lilia und jedem, der nach ihm gesehen hatte, behauptete er, dringend an einem Projekt arbeiten zu müssen. Das war sogar nicht mal gelogen. Es handelte sich um ein Projekt, das er sich neu auferlegt hatte und dass ihn jetzt schon nervöser machte als jedes andere Projekt zuvor. Und dieses Projekt hieß: Eva! Über Stunden las er in der Datei mit den Aufzeichnungen zu ihr. Jede Kleinigkeit sog er auf, bis sich das Bild von Eva wie ein Puzzle zusammenfügte. Sie war eine außergewöhnliche Frau. Voller Güte, Edelmut und Schönheit. Don hatte seine Arbeit gründlich gemacht, denn er hatte sie nicht nur überwacht, sondern alles akribisch notiert.
Auf ein Klopfen an der Tür knurrte Lucifer »Herein.« Wer störte ihn jetzt noch? Er wollte in Ruhe recherchieren.
»Hallo Chef, ich habe hier noch Licht gesehen und wollte ihnen noch zwei Datensticks geben.« Don kam auf ihn zu.
»Ach ja?«
Er schob ihm die beiden über den Schreibtisch zu. »Das sind Bilder und Videos von Eva Pichler, die ich zusätzlich aufgenommen habe.«
Lucifer nickte. »Ich danke dir. Wieso bist du jetzt nicht in ihrer Nähe?«
»Oh, das war ich bis eben. Allerdings hat Max die Sache klar gemacht und somit ist meine Anwesenheit nicht weiter erforderlich. Die beiden sind zwischenzeitlich in Evas Haus gewechselt…« Er grinste schief. »Mein Auftrag ist beendet. Schon komisch nach drei Jahren im Dunstkreis dieser Frau.« Er zuckte die Achseln.
»Setz dich.« Lucifer wies mit der Hand zum Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch, auf den Don sich mit einem Seufzen sinken ließ. »Gut, dass Max an seinem Ziel ist.«
Lucifer lehnte sich in seinen Sessel zurück, gab sich entspannt. Doch in seinem Inneren loderte ein Feuer, das ihn zu verschlingen drohte. Er war besessen von seinem neuen Projekt, von ihr. Was war nur mit ihm los? Und wer zur Hölle war diese Eva, dass sie ihn dermaßen aus dem Konzept brachte.
»Du bist sicher froh, endlich etwas anderes machen zu dürfen, nachdem du drei Jahre einer normalen Frau hinterherspionieren musstest.«
Lucifer griff in seine Minibar und zog zwei Flaschen Bier heraus. Er öffnete sie und schob Don eine über den Tisch zu.
»Danke Chef.« Er prostete ihm zu, nahm einen großen Schluck, dann grinste er. »Ja, so nett sie auch anzusehen ist, sie ist viel zu perfekt, das ist anstrengend.« Auf Lucifers erhobene Augenbrauen fuhr er fort. »Sie ist gut zu ihren Mitmenschen, hilfsbereit, sieht wo es fehlt, wenn beispielsweise eine alte Frau Hilfe bei ihren Einkäufen benötigt oder einen weiten Weg zu Fuß gehen müsste. Sie ist mega aufmerksam und überhaupt gelingt ihr alles mit einer unheimlichen Perfektion. Singen, Klavierspielen, Kochen, diese Yogaverbiegungen … Und dann noch ihr Aussehen …« Don schüttelte den Kopf und nahm einen weiteren Schluck.
»Nur mit den Männern hat es bisher nicht so gut funktioniert«, bemerkte Lucifer. »Single mit achtundzwanzig, so eine schöne Frau. Echt merkwürdig.«
Don lachte. »Ihr ist wohl keiner gut genug. Nein, Spaß beiseite. Sie hat wegen dem toten Ex und dann noch der abgekratzten Tante total gelitten. Einige Typen hat sie abblitzen lassen, doch auf zwei Affären hat sie sich eingelassen. Die waren aber nicht gut genug für sie, Arzt und Anwalt hin oder her. Voll die gestörten Kerle. Nach außen Strahlemänner und innerlich Schweine. Na ja, hat sie auch gemerkt und kurzen Prozess mit denen gemacht. Sie hasst Unehrlichkeit.«
Lucifer nickte langsam, während er über das Gesagte nachsann. »Ich danke dir, Don. Jetzt muss ich noch eine Runde arbeiten.«
»Immer doch, Chef.« Er erhob sich und verließ mit der Flasche in der Hand das Büro.
Eilig steckte Lucifer den ersten Datenstick in den Rechner. Mit Interesse klickte er durch die Bilder, die Evas Leben der letzten drei Jahre widerspiegelten. Mit schwarzer Katze, vor der Buchhandlung, mit einer Frau, der sie ähnelte, bestimmt ihre Mutter. Mal voller Trauer, engagiert bei der Arbeit, am Klavier, beim Joggen, im Restaurant mit einem Mann …
Er klickte auf die Videos. »Oh …« Treffer. Don hatte wirklich alles festgehalten. Hier war Eva in einer Praxis mit einem Arzt zugange. Oder er mit ihr. Don war nah an sie herangekommen. Verblüffend.
Er startete das nächste Video. Wer war dieser hellblonde Kerl an ihrer Seite? Die Aufnahme war recht neu. Sollte Max nicht der Einzige sein, mit dem sie sich aktuell traf?
Er klickte noch eine Weile durch Videos und Bilder, dann seufzte er. Seine Gedanken und die wachsende Unruhe drängten ihn, nach den beiden zu sehen. Kurzentschlossen ging er mitten in seinem Büro in einem Rauchwirbel auf und reiste zu ihrem Haus. Rauch umhüllte ihn wie eine Nebelschwade, verbarg ihn, als er sich durch die Lüfte um das Gebäude bewegte und hinein spähte. Eine Kleinigkeit für ihn, denn Wände waren für seinen Blick kein Hindernis. Im Obergeschoss entdeckte er die beiden. Max war nicht nur bei ihr, sondern lebte seine Pillenenergie mit ihr aus. Verdammt! Für einen Moment schwebte Lucifer nur starr vor dem Balkon ihres Schlafzimmers, starrte auf das Bild, das sich ihm bot. Sein Puls raste augenblicklich, seine innere Hitze drohte, ihn zu verzehren. Er atmete schwer und wollte am liebsten vor Frust das Haus niederbrennen. Verdammt, er wollte diese Frau, verzehrte sich nach ihr, dass es kaum zum Aushalten war. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Er dachte kurz an Max, der seit Jahren hierfür gekämpft hatte, seit Ewigkeiten davon geträumt hatte, dieses faszinierende, engelsgleiche Geschöpf namens Eva zu erobern.
Sorry mein Lieber, unser Deal war, dass du sie eroberst, nicht, dass du sie behältst.